Ich mag dieses Cafe Gollem besonders gern. Es war mir gleich von Anfang an sympathisch. Vielleicht lag das an dem netten Barmann, einem Belgier, der ursprünglich wegen der Liebe nach Amsterdam gekommen war. Solche Geschichten respektiere ich zutiefst. In der Liebe und beim Bier gibt es bekanntlich keine Grenzen oder Regeln, man lässt es einfach passieren, was für einen vorgesehen war und scheißt auf den eigenen Verstand. Dieser nette belgische Barmann eben empfahl mir hier das Bier aus seiner Heimatstadt oder Heimatregion, ich weiß es nicht mehr ganz genau, und zwar ging es dabei um das Omer Traditional Blond, ein sehr süffiges, würziges Blond mit 8 Prozent unter der Haube.
Vielleicht mochte ich dieses Cafe Gollem aber auch so sehr, weil es sich in einem meiner Lieblingsteile der Stadt befand. Das Cafe Gollem aan het water befindet sich am Entrepotdok und am Entrepotdok war es nicht so hektisch wie an anderen Kanälen Amsterdams. Hier war alles schön ruhig, seltsam langsam und die Dinge befanden sich in gutem Fluss. Über dem Kanal lag der Zoo Amsterdams und man fragte sich manchmal ernsthaft, ob es am Bier lag oder ob da ab und an wirklich Giraffen zu sehen waren.
Vielleicht mochte ich dieses Cafe Gollem aber auch so sehr, weil es nicht so überlaufen war. Die Gäste waren ausnahmslos alle sehr entspannt, so als ob ihnen absolut klar war, dass hier nichts anderes außer Entspanntheit geduldet wurde. Wie oft in den Kneipen Amsterdams mochte ich die echten Amsterdamer als Gäste am meisten, Menschen, die ihr Viertel kannten, dem Viertel durch ihre Anwesenheit ein Gesicht gaben und gerne ins Cafe Gollem aan het water kamen, um ihre Biere zu trinken: Hier nahm man die Kneipe im eigenen Viertel noch sehr ernst. Am liebsten waren mir von den Original-Amsterdamern die Rentnertypen. Die hatten irgendwie immer was zutiefst Erhabenes, wenn sie über einem schweren belgischen Barley Wine hockten, über das Leben philosophierten und es gekonnt mit all seinen Tücken sezierten. Solchen Menschen nahm man ihre Geschichten ab. Jedes Wort von ihnen wirkte authentisch, kein Satz war zu lang und keiner zu kurz, nichts davon war ekelhaft aufgesetzter Kram. Einfach echtes, hartes Leben in glühender Form auf den Punkt gebracht.
Vielleicht mochte ich dieses Cafe Gollem aber auch so sehr, weil es mich immer bedingungslos zum Versacken einlud. Diese kleine feine Theke, die schönen Hocker, hinter den Zapfhähnen und der Bedienung befand sich eine Wand von Kühlschränken, die voller guter Biere waren. Hier war alles stimmig und obwohl es sehr neu war, wirkte es wie alte Schule, ein klein wenig wie Old Time Hockey, geerdet und nah am Fan.
Seltsamerweise trank ich hier, im Cafe Gollem aan het water, bei jedem meiner Besuche immer nur einen Bierstil. Also nicht immer, aber es kam sehr häufig vor. Ich hatte hier mal einen Stout-Abend, der unfassbar gut war. Außerdem hatte ich hier auch einen erschütternden Pale Ale-Abend, der mich anschließend fast mit dem Rad in einen Kanal gejagt hätte. Dann gab es auch mal einen Blond Bier-Abend, der um 2 Uhr nachts endete und bei dem ich, als ich aus dem Cafe Gollem aan het water und zu meinem Rad ging, das Gefühl hatte, dass alle um mich herum meine Freunde waren. Ich muss allerdings zugeben, dass ich von dem Trappisten-Abend kaum noch was weiß, außer dass ein Orval schön zu Bitterballen mit scharfem Senf passt.
[text & foto: sm]