Wenn ich auf dem Rückweg zum Camping Zeeburg war, fuhr ich mit dem Fahrrad häufig am Café Waterlooplein 77 vorbei. Mal war es draußen und drinnen knackend voll und manchmal war es gähnend leer. An dem Tag, an dem ich mich entschied, die Bremse zu ziehen, war es einer dieser leeren Tage.
Ich hatte keine Ahnung, was sich für ein fast schon grotesk schöner Ort in dem alten Gebäude verbarg. Hinter einer großen braunen Tür befand sich nur ein Raum, der eine hohe Decke hatte, von der gewaltige Kronleuchter herabhingen. Wie viele Kronleuchter es genau waren, weiß ich nicht mehr, aber das Licht, das von ihnen zu den abwesenden Gästen herunterkam, war von der Art, die einen fast schon dazu zwang, zu tief ins Glas zu schauen. Die Theke war aus dunkelbraunem Holz und ich konnte mir gut vorstellen, wie sich hier schon etliche über die Jahre hinweg gewissenhaft aus dem Leben gearbeitet hatten. Die Bierkarte war eher einfach, aber es gab eine sehr gute Auswahl der Jopen Brauerei aus Haarlem und ein paar belgische Geschütze, die für ordentlichen Gehirnfasching sorgten.
Ich war nur dieses eine Mal im Café Waterlooplein 77, aber es lohnte sich voll und ganz. Und während der zwei Stunden, die ich hier verbrachte, kam nicht ein einziger Gast rein. Nur einmal war ein älterer Herr an der Tür. Er hatte seine Hand schon an der Türklinke. Aber irgendwas ließ ihn nicht hineinkommen. Der Mann, der sich um den Ausschank sorgte und schon den ein oder anderen schweren Herbst gesehen hatte, blieb alleine zurück, als ich gut bedient aus der Tür ging. Kurz darauf saß ich mit Puddingbeinen auf dem Rad und fragte mich, ob er an dem Abend noch Gäste haben würde und von irgendwo war überaus schiefer Gesang zu hören.
[text: sm / foto: xx]
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