Ich mochte wirklich alle Gollem-Cafés in Amsterdam, aber dasjenige im Raamsteeg war mir das Liebste.
Wenn man reinkam, stand man sofort an der Theke und damit auch unmittelbar am zentralen Punkt der Kneipe. Nimmt man es sehr streng, dann war das eigentlich maßgeblich für jede Kneipe, die was auf sich hielt. Über eine steile Treppe ging es auf eine Empore, dort standen ein paar einfache Tische, Bänke und Stühle. Realistisch bot sich dort Platz für 15 Gäste, aber was war schon Realismus in einer Kneipe wert, die wie aus einem Traum entsprungen wirkte.
Hier wehte der alte Geist Amsterdams, oder zumindest stellte ich mir vor, dass er so vor Jahrzehnten hier geweht hatte. Redselige Menschen aus aller Herren Länder trafen sich hier beim Bier; und das Café Gollem war kein Ort für wortkarge Geheimnisträger. Hier flogen einem die Gespräche um die Ohren. Mal waren diese voller bedrückender Seemannsschwere und mal voller klarer Einfachheit, aus der bekanntlich die schönsten Trinkgespräche bestehen. Hier standen vertraute Gesichter hinter der Theke, aber ich kannte nicht einen ihrer Namen. Jeder von ihnen war auf seine ganz eigene Art ein Künstler bei der Arbeit. Hier hatte ich meinen ersten Rausch mit Achel Blond, immer noch mein liebstes der Trappisten, ein bodenständiger Mönch, der keinen Glamour nötig hatte. Aber, wenn man es mit ihm übertrieb, konnte er einen überaus heftig am Kragen packen.
Alle drei Monate kam ich nach Amsterdam und das Café Gollem ließ ich nie aus. Es war so, als ob ich nach Hause kam und ich hatte das Gefühl, dass man sich über meine Anwesenheit so freute, wie sich Eltern über einen verrückten Sohn freuen, wenn er zur Tür reinstolpert.
[text: sm / foto: dd]
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