Es gibt diese Biere, die sind wie unausweichliche und totalitäre Ohrwürmer. Die wird man nicht mehr los, wenn sie sich einmal festgesetzt haben. Die verfolgen einen, laufen einem immer wieder über den Weg, egal, wo man sich gerade befindet. There’s nowhere you can be. Immer sind sie schon vor einem da. Die nerven kräftig mit ihrem All you need is love oder Love is all you need, das durch alle Straßen hallt. Sie graben ihre einschmeichelnden und anschmiegsamen Botschaften und Popmelodierhizome in den Hippocampus und wollen unauslöschlicher Teil von einem werden. Wollen sich mit dir identifizieren. Eins sein mit deiner Person. There’s nothing you can do. Du kannst zwar in kompensatorischer Absicht einen anderen Song auflegen. Aber da wird nichts überspielt. Das bringt rein gar nichts. Ist der neue Song dann doch nur Effekt des alten. Er erinnert dich eindringlich mit jedem gespielten Akkord an seine eigentliche Herkunft. Und da hilft auch kein Konterbier, um diesen schäbig-süßen Belag wieder loszuwerden, der sich dir auf die Zunge gelegt hat und der alles zuckrig zukleistert. Das verdirbt dir den Geschmack ein für alle Mal. Da kannst du nichts machen. Du kannst es verneinen und ablehnen, wenn es dir angeboten wird. Aber am Ende stellt man dir immer wieder ein neues hin. Endlos. Weil alle anderen auf genau dieses eine Bier abfahren. Es verkörpert für sie Rock ’n‘ Roll. Dabei ist es nicht mehr als der schale, billige Konsens, auf den man sich verständigen ließ.
Ist die Zuneigung der Leute nur das Resultat der stetigen, eindringlichen Wiederholung, dass man es hier sogar mit etwas Rebellischem zu tun haben soll? Dabei atmet aus ihm nicht mehr Revolte als aus den Mode- und Lifestyleblogs dieser Welt. Oder aus einem dieser Schmusesongs der Beatles. Neulich habe ich in einer dieser populärwissenschaftlichen Magazine gelesen, dass Menschen unterschiedlich anfällig für Ohrwürmer sind. Das sei neurologisch bedingt, hatten Forscher herausgefunden. Und, dass die ohrwurmaffinen Menschen deshalb kleinere Gehirne haben. Ich stell mir das immer so vor, dass dort, wo der Ohrwurm im Kopf sitzt, ja kein Platz für das Gehirn sein kann. Der Wurm frisst einfach seinen Bau in unser Nervensystem und macht sich breit. Ähnlich stelle ich es mir auch mit diesen Ohrwurmbieren vor. Wo sie sind, kann nichts anderes sein. Kein anderes Bier und erst recht keine andere Rebellion.
[text & foto: dd]