Jedes Mal wenn ich die Brouwerij ’t IJ betrat, war mein Gesichtsausdruck der Gleiche. Überwältigung traf auf Freude und beim Anblick der einfachen silbernen Hähne, aus denen das Bier mit Hochdruck gezapft wurde, wusste ich, dass ich am richtigen Ort war.
Ich war hier am Liebsten, wenn der Herbst die Blätter von den Bäumen gejagt hatte und die schweren Böcke, manchmal bis zu fünf auf einmal, an den Hahn kamen. Draußen peitschte der Wind große Regentropfen an die Fenster, aber drinnen war es immer gemütlich. Es gab Tage, an denen sich die Menschen hier auf den Füßen herumtrampelten. Ärger gab es deshalb nie. Die Masse, die sich hier versammelte, wollte dasselbe und das wurde von fleißigen Mitarbeitern bereitgestellt, die sich nicht aus der Ruhe bringen ließen. Fast schon stoisch ruhig und immer mit einem ehrlichen Lächeln reichten sie einem das Bier. Hier hatte ich trotz der stärker werdenden Abneigung gegen Touristen das Gefühl, dass es mit ihnen und den Einheimischen doch irgendwie passte. Hier war man zu jeder Zeit von unterschiedlichen Sprachen umgeben und ich mochte die angriffslustige Lautstärke, die fast schon beißend über allem lag.
Irgendwann, gegen kurz vor zwanzig Uhr, kam der nicht zu überhörende Ruf zur letzten Runde, denn der Ausschank hatte ohne Ausnahme ab Punkt 14 Uhr bis um Punkt 20 Uhr offen. Wenn ich nach meinen Besuchen bei der Brouwerij ’t IJ auf meinem Fahrrad saß, fuhr ich häufig noch kreuz und quer durch Amsterdam Oost, aber ich kehrte niemals noch mal irgendwo ein, weil ich zumindest für einen Abend das unfassbar stimmige Schauspiel im Kopf behalten wollte, das mir dort geboten wurde.
[text & fotos: sm, dd]
Der Text erschien neben anderen im Bier-Brevier „Unser täglich Bier gib uns heute: Das Bierwort für den Tag“ (tredition, 2020). Es ist das beste Buch seit Horst Hrubeschs „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“. Für jeden Kalendertag hält es einen schönen Biertext bereit. 31 Autor:innen haben mitgeschrieben. Weitere Informationen dazu gibts hier – bestellt werden kann es beim Buchhandel oder direkt beim Verlag: Zur Verlags-Website
Für die, die es ganz eilig brauchen: Jeff Bezos hat auch ein paar Exemplare gebunkert, will sie aber doch jetzt wieder schnell loswerden. Er trinkt lieber Wein, meint er.
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