Ich kann mich nicht mehr ganz genau daran erinnern, was damals passierte. Ich weiß nur, dass es im Jahr 2001 und dass es wild war. Es war der erste Tag, den ich ganz für mich allein in Toronto hatte. Ich konnte meine damalige Freundin, übrigens eher von der nervigen Sorte, dazu überreden, dass sie doch lieber shoppen gehen sollte, als mit mir um die Häuser zu ziehen.
Nachdem ich sie los war, ging ich in die erstbeste Kneipe. An den Namen kann ich mich nicht mehr erinnern, es war irgendwas mit Crown and Wolf oder so. Der Pub war in einem Backsteinhaus, die Theke ein wuchtiges Monstrum aus dunklem Holz. Ein paar der Gesellen, die dort saßen, sahen mich kritisch an, als ich mich zu ihnen setzte, es waren Bauerarbeitertypen, kernige Mannsbilder, die aber das Herz am rechten Fleck hatten. Ich denke, dass mir mein Toronto Maple Leafs-Fansein dabei geholfen hatte, bei den Jungs zu punkten. Die Barfrau war freundlich, aber ich konnte ihr ansehen, dass, wenn es hier zu Problemen kam, sie das auch auf die harte Tour regeln würde: Sie war wie ein guter Kampfsportler, denen schaust du in die Augen und du siehst, dass sie bereit sind. Und so war es auch mit ihr. Ich trank irgendein India Pale Ale, irgendwas, das nach unglaublich sattem, scharfem Hopfen schmeckte und jedem deutschen Normalobiertrinker die Zunge verstümmeln würde. Ich trank einige davon.
Als meine Lichter schon derbe am Brennen waren, passierte es. Er tauchte einfach auf und setzte sich auf den Hocker, neben mich. Mats Sundin, der Traum meiner feuchten Eishockeyträume. Mats Sundin, die absolute schwedische Wucht. Am Stock und auf dem Eis konnte er alles. Ich habe mich an diesem Abend mehrmals über sein Lächeln gewundert, dieses unglaublich strahlende Lächeln, man wusste, der Kerl war schwer in Ordnung, auch wenn er dir die Nüsse zu jeder Zeit zu Brei schießen konnte. Mats Sundin trank wie ich an diesem Abend ausschließlich dieses garstige India Pale Ale und weil ich mich nicht traute, ihn anzuquatschen, übernahm er das Ganze. Mats Sundin fragte mich mit diesem zuckersüßen schwedischen Akzent, woher ich kommen würde und was ich in Toronto zu schaffen hatte. Ich sagte, ich sei mit meiner Freundin hier, einer Nervensäge, die, sobald wir in Deutschland sind, ihre Segel zu streichen hätte, so wie die Habs, wenn es ihnen auf dem Eis an den Kragen ging. Mats Sundin gab mir an dem Abend den Rat, dass ich es mit den Frauen nicht übertreiben sollte, echte Liebe war ein schweres Geschäft, das nicht gerade wenige Typen um den Verstand bringen konnte. Außerdem sagte er mir mit Nachdruck, dass ich fair bleiben solle, dass ich die Karten auf den Tisch legen muss, und zwar so ehrlich, wie ein Slapshot es zu sein hat, straight und geradeaus.
Auf dem Rückflug merkte ich, was das für ein Scheiß Urlaub mit der lahmen Ente, die neben mir saß, gewesen war. Aber ich hatte Mats Sundin getroffen, mein einziger Trost und schon nach der Landung in Frankfurt würden meine Worte meine Freundin so hart treffen, als wenn du einen Slapshot von ihm abbekommst.
[text: sm / foto: ck]